Umbrien mit dem Gravelbike in zwei Akten – Strade Bianche & Seerunde am Lago Trasimeno
Mittelitalien, du Schönheit! Auf unserer Reise lassen wir uns natürlich auch Umbrien nicht entgehen. Zwischen Olivenhainen, kleinen Dörfern und der endlosen Weite der Hügel schlagen unsere Gravelherzen höher. Zwei Touren stehen auf dem Plan: Einmal rund um den Lago Trasimeno – und dann eine zweite Tour, die es ein bisschen mehr krachen lässt. Mehr Höhenmeter, mehr Panorama, mehr Strade Bianche! Wir wollen hoch hinaus, auf weißen Schotterstraßen mit Blick auf den See, der tief unten zwischen den Hügeln glitzert. Genau unser Ding.
Strade Bianche mit Blick auf den Lago Trasimeno
Aber wir wollen nicht lang schnacken – los geht’s mit der aussichtsreichen Tour! Weil der Lago Trasimeno ganz schön groß ist, starten wir nicht direkt von unserer Ferienwohnung, sondern parken in Passignano sul Trasimeno. Hier gibt’s genug Platz fürs Auto, und wer mag, kann später sogar noch zur Isola Minore übersetzen – ganz easy von hier aus.
Zum Aufwärmen rollen wir erst mal ein paar Kilometer auf dem Radweg rund um den See. Eine richtig schöne Gravelpassage – aber die gibt’s dann bei der zweiten Tour ausführlich. Jetzt dient sie uns nur als lockerer Einstieg. Locker, haha – denn obwohl es gerade mal 8 Uhr morgens ist, zeigt das Thermometer schon weit über 20 Grad. Warmfahren? Läuft.
Und dann, zack, nach knapp neun Kilometern das erste Mini-Highlight: Wir nehmen einen kleinen Schlenker über einen Hügel – und plötzlich liegt er da, der Lago Trasimeno, tiefblau und eingerahmt von sanften Hügeln. Gänsehautblick!
Mit warmen Beinen lassen wir’s laufen bis Magione. Dort geht’s kurz durchs Wohngebiet, rüber über die Landstraße – und dann heißt es endlich: Ab auf die ersten richtigen Gravelpfade!
Und dann wird’s ernst. Nach einer ersten gröberen Passage knirschen wir kurz über Asphalt, schauen nach vorn – und sehen nur eins: eine steile Rampe aus grobem Schotter. Richtig unfein. Sieht aus wie 20 Prozent, mindestens. Muss das jetzt sein?
Nee, muss nicht. Wir entscheiden uns für die feige Variante (also die kluge) und rollen auf Asphalt weiter. Mal schauen, vielleicht gibt’s ja eine brauchbare Umfahrung. Nach gut 200 Metern biegen wir wieder in die Gravelstraße ein. Zurück auf Kurs. Zurück im Abenteuer.
Denn das, was da vor uns liegt, sieht zwar aus wie eine endlose Asphaltrampe mit mindestens 15 Prozent Steigung – aber wir hoffen einfach auf das Versprechen: Oben soll eine herrliche Strada Bianca warten, mit fettem Panorama-Bonus. Die Route stammt ursprünglich von Komoot, aber selbst mit Nachbesserung und Umplanung fanden wir keine richtig elegante Alternative. Also: Augen zu und durch.
Der Weg? Teilweise richtig gut fahrbar. Aber die Steigungsprozente? Na ja, die sind dann doch oft jenseits von Gut und Böse. Komoot spricht vielleicht von „mäßig steil“, aber unsere Waden sagen was anderes. 15 Prozent aufwärts, die Sonne ballert – und eigentlich wollten wir heute etwas Gemütliches.
Die Tour? Definitiv ausbaufähig. Einmal landen wir in einer Sackgasse, müssen durch Olivenhaine schieben und hoffen einfach, dass das Tor am Ende nicht abgeschlossen ist. Glück gehabt. Ein Blick auf die Karte zeigt: Mit ein bisschen Tuning lässt sich das auch cleverer lösen. Und manche Abschnitte? So grob, da bleibt nur Schieben.
Aber hey – beim nächsten Mal wissen wir’s besser. Und so eine Strade Bianca mit Panorama? Die entschädigt am Ende doch für vieles.
Und dann ist sie da – die versprochene Strada Bianca. Nachdem wir die Provinzstraße Richtung Castel Rigone überqueren – das wäre übrigens der entspanntere Asphaltweg hoch gewesen – tauchen wir ein in die Panorama-Piste. Am Anfang geht’s noch mal kurz knackig bergauf, aber dann öffnet sich die Straße: breit, weiß, herrlich. Links und rechts nur Hügel, Felder, Fliederbüsche und zwischendurch immer wieder dieser Blick auf den Lago Trasimeno tief unten – ein Traum!
Hier kann man’s richtig laufen lassen. Oder einfach stehen bleiben und genießen. Beides ist erlaubt, beides macht Laune. Denn Spoiler: Das ist der beste Ausblick der ganzen Tour. Also nehmt euch die Zeit. Fotos machen, Luft holen, kurz staunen – denn oben am höchsten Punkt wird’s grün und still. Wald. Kein Ausblick mehr.
Der Panorama-Abschnitt zieht sich über sechs Kilometer. Dann kommt eine markante Kreuzung mit einem kleinen Schilder-Wirrwarr – ein Punkt zum Entscheiden: Entweder ihr nehmt den Weg direkt runter nach Passignano (macht Sinn, wenn die Körner knapp sind). Oder ihr macht’s wie wir: Augen zu und weiter.
Und ab hier wird’s… speziell. Schon kurz danach mehren sich die Hinweise: Schilder einer Cross-Country-MTB-Route tauchen auf. Komoot hat zwar ein paar Trail-Fotos gezeigt – aber wie ruppig es wirklich wird, war uns nicht klar. Lava-Gestein, lose Wurzeln, Geröll – willkommen auf der Wildseite des Gravels!
Ich hab noch meinen Spaß daran, irgendwie durchzuwühlen. Aber wer keine Federgabel hat, spürt hier jedes Korn. Und wie so oft: Das Video, das ihr hier seht, lügt – es sieht harmlos aus. In echt ist das ein kleiner Ritt auf der Rasierklinge.
Je höher wir kommen, desto brutaler wird’s. Der finale Anstieg zum höchsten Punkt? Mehr Geröll als Weg. Selbst mit einem Hardtail wird’s hier sportlich. Gravelbike? Nur für Leute mit Technik, Geduld und Humor.
Oben angekommen, mitten im Wald, schalten wir um – von ruppig zu flowig. Ein leichter Singletrack schlängelt sich durch die Bäume, der irgendwann in eine angenehme Schotterstraße übergeht. Dann: Asphalt. Die Straße führt uns hinab nach Gosparini.
Dieser Ort hat Geschichte – zumindest in der lokalen Radszene. Der Pass hier scheint auf jeder zweiten Tour aufzutauchen, ein Klassiker in der Gegend. Oben gibt’s ein Gasthaus mit Aussichtsterrasse, aber klar: Heute geschlossen. Der Blick ist nett, aber mal ehrlich – das richtige Panorama gab’s ein paar Kilometer vorher auf der weißen Straße mit Seeblick.
Wir entscheiden uns gegen weitere Pass-Sammelei und steuern direkt die Abfahrt Richtung Tuoro sul Trasimeno an. Und was für eine! Kaum Verkehr, frisch asphaltierte Straße, kurvig, schnell – das pure Abfahrtsvergnügen. Die Strapatzen von vorher? Vergessen.
In Tuoro biegen wir nicht gleich zurück auf den Radweg, sondern gönnen uns noch ein kleines Highlight: eine schnurgerade, von Zypressen gesäumte Straße. Italien-Kitsch wie aus dem Bilderbuch – und wir lieben’s. Das perfekte Gravel-Finale.
Die letzten Kilometer rollen wir entspannt auf dem Radweg zurück nach Passignano. Sonne im Gesicht, Staub auf der Haut, Herz voll. Rund 50 Kilometer, etwa 1000 Höhenmeter, ein bisschen viel Schieben inklusive – aber unterm Strich: eine richtig schöne Tour mit allem, was Gravel in Umbrien ausmacht.
Gravel light – Mit der Family rund um den Lago Trasimeno
Jetzt aber, wie versprochen: der komplette Kontrast zur Trail-Tortur – einmal rund um den Lago Trasimeno. Flach, familienfreundlich und trotzdem mehr Gravel, als man denken würde. Für uns war’s eine kleine Challenge, vor allem für die Kids aber ein kleiner Angstgegner. Denn das hier sollte ihre erste 60-Kilometer-Tour werden – und mit nur 170 Höhenmetern war die Strecke dafür wie gemacht.
Wir starten früh. Sehr früh. Um sieben Uhr rollen wir schon los in Castiglione del Lago, direkt vor der Tür unserer Ferienwohnung. Die Wetter-App brüllt 37 Grad Höchsttemperatur – Hitzewelle deluxe. Also lieber Schatten suchen, wo’s geht, und vor allem: Strecke machen, solange’s noch halbwegs erträglich ist.
Große Erwartungen? Hatten wir ehrlich gesagt nicht. Aber die wurden schnell übertroffen. Denn auch wenn der Weg flach ist – Gravel-Fans kommen hier auf ihre Kosten. Der Rundweg rund um den See ist alles andere als langweilig asphaltiert. Im Gegenteil: In Italien, besonders im Süden, ist ein Radweg oft gleichbedeutend mit Schotter, Staub und Natur.
Und das ist hier nicht anders: Breite Kiespisten wechseln sich ab mit fast trailigen Passagen durch Schilf und Wald. Mal cruisen wir fast Strade-Bianche-mäßig dahin, dann wieder schlängeln wir uns auf schmalen Pfaden zwischen Wanderern und Enten hindurch. Der See ist immer wieder im Blick – aber eben nicht dauerhaft an unserer Seite.
Was auffällt: Gastronomisch ist hier VIEL weniger los als etwa am Gardasee. Einkehrmöglichkeiten sind selten – vor allem, wenn man nah am Track bleiben will. Eigentlich gibt’s nur in Castiglione del Lago und in Passignano sul Trasimeno richtige Stopps mit Café und Infrastruktur. Dazwischen? Eher Bar-Fundstücke – oder halt nix. Also: Wasser und Snacks nicht vergessen!
Trotz der Hitze und der eher langen Distanz schlagen sich die Kids richtig tapfer. Am Ende wird’s noch mal heiß und das letzte Stück zurück führt uns leider auf die Straße, weil der Radweg dort noch nicht ganz durchgängig ausgebaut ist. Aber hey – 60 Kilometer gerockt, mit Stil, mit Schweiß und mit einem Lächeln im Ziel.
Wer mag, kann die Runde natürlich auch mit unserer ersten Tour kombinieren – dann wird’s ein echtes Gravel-Abenteuer mit Panoramabonus. Wichtig nur: gut planen, genug Wasser einpacken und sich bewusst sein, dass es in Umbrien eben nicht an jeder Ecke einen Espresso gibt. Aber genau das macht’s ja auch so besonders.
Einmal quer durch die sonnige Toskana mit auf dem klasischen Tuscany Trail - hier eine Sammlung an Erlebnissen einiger Teilnehmer und die Routen der vergangenen Editionen.