Tanz auf dem Vulkan – drei Tage Bikepacking Abenteuer am Etna

Martin Donats Tour durch den Süden Siziliens ist ein dreitägiges Micro-Abenteuer voller Sonne, Vulkanlandschaften und italienischem Flair. Mit dem Zauberwort "Bikepacking" rüstet er uns aus für eine unabhängige Tour durch den Nationalpark Etna, wobei ein robustes Gravelbike oder ein leichtes Cross-Country-Mountainbike ideal sind. Zur Übernachtung empfiehlt er authentische Agriturismi und zur besten Reisezeit das Frühjahr, wobei man für unerwartete Wetterumschwünge in der Höhe gewappnet sein sollte.

Sizilianische Sonne, italienischer Flair, azurblaues Mittelmeer und surreale Vulkanlandschaft. Was nach einem aufwändigen Urlaubsprogramm klingt, habe ich in ein intensives Micro-Abenteuer gepackt, das du ganz einfach nachmachen kannst. Drei Tage Bikepacking auf Sizilien. Über ein langes Wochenende fährst du rundherum um Europas höchsten Vulkan, mitten durch die atemberaubende Landschaft des Nationalpark Etna. Ich zeige dir, wie das möglich ist.

Das Zauberwort: Bikepacking

Pack das Allernötigste zusammen, schnall es auf dein Bike und los geht’s. Bikepacking eröffnet dir ungeahnte Möglichkeiten. Denn du bist völlig frei und unabhängig. Du bist nicht darauf angewiesen, Abends wieder in deinem Hotel anzukommen. Fahr, soweit du kannst und bleib, wo es dir gefällt. Ein paar Wechselklamotten, Zahnbürste und Seife, das ein oder andere Ladekabel und ein paar Ersatzteile reichen für ein Wochenende in der Natur. „The Simple life“ – mehr brauchst du nicht zum Glücklichsein.

Material und Trails

Die Straßen und Wege dieser Rundtour werden dich vor keine fahrtechnischen Herausforderungen stellen. Nicht ganz ohne sind hingegen die Anstiege und Distanzen, die dich erwarten. Eine gewisse Grundfitness sollte vorhanden sein, damit du drei Tage Biken am Stück auch vollends genießen kannst. Du fährst über Landstraßen oder Wirtschaftswege. Dafür brauchst du kein gefedertes Endurobike. Am besten geeignet ist ein leichtes Cross-Country-Mountainbike oder ein robustes Gravelbike. Damit du dein Gepäck sicher und geschützt verstaut bekommst, machen entsprechende Bikepacking Taschen, wie eine Satteltasche und eine Lenkerrolle Sinn. Ganz wichtig: In den Bergen kann es kalt werden, auch wenn es unten in Catania so gar nicht danach aussieht. Plane das ein: Regenbekleidung und was Warmes zum Überziehen solltest du auf keinen Fall weglassen. Ebenfalls ins Gepäck gehört Notfallwerkzeug und eine ausreichende Anzahl von Ersatzschläuchen. Zwar ist das Vulkangestein, über das du gelegentlich auch fährst, nicht so scharfkantig, wie man es befürchten könnte – dennoch fährst du über lange Strecken fernab der Zivilisation und musst einfach auf den ein oder anderen Platten vorbereitet sein.

Anreise

Dieses Abenteuer beginnt direkt in Catania. Wenn du nicht ohnehin in der Gegend bist, kannst du mit der Bahn anreisen oder fliegen. So ziemlich jeder größere deutsche Flughafen bietet Direktverbindungen hierher an. Falls du für die Reise dein Bike verpackst, kannst du die Tasche oder den Karton hier abgeben: atripical.it/en/luggage-storage-catania. Um zum Ausgangspunkt der Tour zu gelangen, kannst du natürlich dein Fahrrad nehmen. Wenn du dir die Fahrt über die relativ verkehrsreiche Straße von Catania nach Zafferana Etnea und etwas Kraft sparen möchtest, nimmst du den Zug von Catania Hauptbahnhof.

Unterkunft

Eine der günstigsten und oft auch eine der schönsten Möglichkeiten, in Italien zu übernachten, bieten die sogenannten Agriturismi. Grob gesagt steht das für „Urlaub auf dem Land“. Meistens handelt es sich dabei um Landgüter, manchmal auch um Bauernhöfe oder Kloster. In der Regel sind diese Unterkünfte eher abgelegen, oft in wunderschöner Landschaft inmitten von Feldern oder Weinbergen gelegen. Die Zimmer selbst sind meist eher schlicht und rustikal gehalten. Perfekt für alle, die es ruhig, bodenständig, naturverbunden und nicht zuletzt günstig mögen. Für beide Stopps dieses Abenteuers hatte ich Agriturismi genutzt, die optimal zur Route passten. In beiden bekommst du Essen und kannst dein Bike unterstellen, musst dich also um nichts kümmern, außer es vorher zu buchen.

Beste Reisezeit

Das Klima auf der größten Insel des Mittelmeers ist mediterran: Im Sommer ist es heiß und trocken, im Winter ist es mild, aber feucht. Zum Radfahren ist am besten das Frühjahr (März bis Mai) geeignet. Dann ist es noch angenehm kühl, wobei das Thermometer auch schnell mal über 20 Grad steigt. Im Hochsommer ist es oft drückend heiß, zum Radfahren ist das nicht so angenehm. Im Prinzip ebenfalls sehr schön ist es im Oktober und November, allerdings kann es in dieser Jahreszeit zu heftigen Regenfällen kommen, auf die du vorbereitet sein solltest. Egal, wann du die Reise antrittst: Du fährst rund um einen 3.323 Meter hohen Berg. Zwar führt dich diese Route nur auf rund 2.500 Meter Höhe, dennoch kann das Wetter dort oben schnell umschlagen und es kann deutlich kälter sein, als beim Start am Fuße des Berges.

Übrigens: Wenn du noch etwas Zeit dranhängen kannst, lohnt es sich sehr, noch einen Tag in Catania zu verbringen. Die barocke Stadt am Fuß des Etna gilt als eine der schönsten Siziliens. Hier kannst du italienischen Flair atmen, italienischen Lifestyle beobachten und italienische Köstlichkeiten genießen. Catania ist die zweitgrößte Stadt der Insel und definitiv einen Besuch wert.

PS: Ich habe diese Reise gemacht, bevor ich dem Fliegen entsagt habe. Heute würde ich sie anders angehen. Und zwar so: Ich würde mit dem Zug nach Mailand fahren und dort abends in den Nachtzug nach Catania einsteigen. Wenn du genug Zeit hast, kannst du auch einen oder zwei Tage in Mailand verbringen. Klar ist diese Art der Anreise zeitaufwändiger. Nimm dir einfach genug Zeit, entdecke die Gegend, die schönen Städte und schöne Landschaft – dann gerät die lange Anfahrt schnell in den Hintergrund, beziehungsweise wird zum Teil deines Abenteuers.

  • Etappe 1: Rauf zum Etna – Tanz auf dem Vulkan (65,2 km | 06:32 | 2 530 m) Vor dir liegen 1.500 knackige Höhenmeter. Heute geht‘s zum ersten Mal hoch auf den Etna. Du beginnst mit der Südseite. Und du tust gut daran, warme Klamotten mitzunehmen, auch wenn es unten noch angenehm warm ist: Vor allem oben in den Bergen kann es empfindlich kalt werden. Packe warme Sachen zum Überziehen ein, dann musst du nicht frieren und kannst später auch die Abfahrt genießen. Vielleicht gönnst du dir noch einen Kaffee im Ausgangsort Zafferana Etnea. Dann geht es aber wirklich los. Langsam, aber sicher pedalierst du Kehre um Kehre den Pass hinauf und genießt die wunderbare Aussicht und die immer skurriler werdende Landschaft, die vom Vulkangestein geprägt ist. Je höher du kommst, desto markanter zeigt sich die Lavawüste. Es gibt kaum große Bäume und man kann beinahe die beängstigende Stimmung nachempfinden, die beim jedem Ausbruch des Ätna herrschen muss. Immer wieder kreuzt du eine offensichtlich besonders „frische“ Spur der Verwüstung. Der Etna ist nach wie vor äußerst aktiv ist und es kommt neuerdings immer wieder zu bemerkenswerten Ausbrüchen. Die Lavaströme vergangener Ausbrüche kannst du immer wieder bestaunen – auf den ersten Blick hinterlassen sie eine tote Spur der Verwüstung. Erst bei genauerem Hinsehen entdeckt man, wie die Natur und das Leben langsam zurückkehren. Das Ergebnis ist skurril, aber dennoch wahnsinnig spannend, beeindruckend und kontrastreich. Tiefschwarzes Lavagestein gepaart mit dem frischen Grün der verschiedenen Gräser und Büsche und dem rostfarbenen Laub des Herbstwalds an jenen Stellen, die schon etwas länger vor dem frischen Lavafluss verschont wurden. Hin und wieder stößt du auf verlassene Häuser oder deren Überreste: Teilweise schauen nur noch die Dächer ehemaliger Unterkünfte aus dem Boden hervor. Der Rest ist begraben unter meterdickem Lavagestein. Oben angekommen begrüßt dich das touristisch anmutende Restaurant an der Talstation der Etna Bergbahn. Auch auf dem Ätna bekommst du, wie eigentlich überall in Italien, super leckeren Kaffee! Warum also nicht eine kleine Pause zur Belohnung? Wenn du noch höher hinaus willst, könntest du eine Fahrt mit der Gondel unternehmen. Die bringt dich ruckzuck hoch auf 2500 Meter Höhe, von dort oben kannst du entweder auf sportlichem Singletrail oder auf super schneller Gravel Straße mit dem Bike zurück zur Talstation fahren. Die Fahrt mit der Gondel auf den Berg beschert dir eine actionreiche Abfahrt und ein tolles Extra-Abenteuer am Etna. Dort selber raufzufahren – dafür müsstest du schon ziemlich motiviert sein. Zurück an der Talstation folgt der eigentliche Lohn für den stundenlangen Uphill. Die nun folgende Abfahrt ist der Wahnsinn. Permanent diese Aussicht! Entweder hast du freien Blick hinunter zur Küste oder vor dir tut sich eine gruselige Lava-Landschaft auf. So oder so eine beeindruckende Kulisse. Sogar, wenn das Wetter nicht so mitspielt und es neblig-trüb ist. Dann wird die Stimmung umso mystischer. So langsam aber sicher kehrst du zurück in die Zivilisation. Biancavilla ist eine größere Stadt kurz vorm Ziel. Wenn du noch etwas kaufen willst, mach es hier. Denn das Agriturismo, das ich zur Übernachtung verwendet habe und dir empfehlen kann, ist einsam an einer Landstraße gelegen. Dort bekommst du weit und breit nichts. Die kulinarische Empfehlung des Tages: Pizza. Da kann kein Italiener viel falsch machen…

  • Etappe 2: Die Nordseite des Etna – Tanz auf dem Vulkan (76,3 km | 06:40 | 1 680 m) Heute steht relativ viel „Gravel“ auf dem Programm. Vom Agriturismo startend geht es erstmal ein Stück bergauf in die kleine Stadt Santa Maria di Licodia, wo du ein Stück echtes Sizilien atmen kannst: eng, laut, hektisch aber irgendwie gemütlich und herzlich. Wenn dir danach ist, such dir doch am besten ein kleines Café und starte die Tour mit einem leckeren, italienischen Espresso. Sobald du diese und zwei weitere Städtchen hinter dir gelassen hast, kommt so schnell keine Gelegenheit mehr dazu. Stattdessen schraubst du dich langsam, aber stetig über schmale Bergstraßen und lose Waldwege hinauf mitten durch den „Parco dell’Etna“. Reizüberflutung für die Sinne „Powered by Fahrrad“. Oben angekommen wartet eine Überraschung auf dich: eine absolut umwerfende Aussicht auf den Ätna. Das Lavagestein ist immer wieder durch Farbkleckse unterbrochen an Stellen, wo das Leben wieder die Kontrolle übernommen hat. Im Hintergrund der schneebedeckte Gipfel des Etna. Einfach nur: Wow! Es folgt eine atemberaubende Abfahrt über einen ausgewaschenen Wirtschaftsweg. Highspeed mit Aussicht. Am Ende der Abfahrt fährst du direkt auf eine Hütte zu, die von hinten wie ein verlassendes Gebäude aussieht, sich von vorn jedoch als Berghütte inklusive Gastronomie entpuppt. Hier kannst du den warmen Ofen genießen und dich mit der vom freundlichen Italiener servierte Pasta stärken. Eine tolle Atmosphäre – gib nur Acht, dass du nicht zu sehr die Zeit vergisst. Bis zum Ziel sind es noch rund 40 Kilometer. Das heutige Agriturismo im großzügigen Landhausstil ist wunderschön inmitten von Weinbergen gelegen und hat große Zimmer, die genug Platz für Bike und Biker bieten. Dusche, Pasta e buona notte!

  • Etappe 3: Etna Ost – Tanz auf dem Vulkan (38,9 km | 04:06 | 1 300 m) So kann ein Tag beginnen! In einem wunderbaren italienischen Land-Anwesen umringt von Weinbergen fällt es nicht schwer, Urlaubsfeeling zu spüren. Die Tour beginnt mit einem rund 1.000 Höhenmeter langen Anstieg an der Ostseite des Etna hinauf. Hier ist es ganz anders, als im Norden und Süden. Du fährst hauptsächlich durch Wald, aber immer wieder öffnet er sich, lässt die Sonne durch und bietet tolle Aussicht.Oben wird der Wald lichter und auf einmal bist du wieder in dieser typischen, surrealen Vulkanlandschaft. Hier wirkt die aber noch viel kontrastreicher, denn inmitten grüner Wälder sticht ein grauer Streifen trostloser Vulkanwüste einfach noch viel deutlicher hervor. Ganz oben am Bergcafé parken einige Autos, mit ein bisschen Glück triffst du auf andere Radfahrer. Diese Strecke eignet sich hervorragend zum Radfahren und scheint relativ populär zu sein. Warum genau, erfährst du gleich. Denn die Abfahrt zurück nach Zafferana Etnea ruft. Genuss pur, auch wenn man sich in Italien sicher ab und an wünscht, dass der eine oder andere italienische Autofahrer ein wenig mehr Rücksicht auf andere Verkehrsteilnehmer walten ließe. Halte am besten ein wenig die Augen auf und achte darauf, was die anderen Verkehrsteilnehmer so treiben. Unten angekommen im italienischen Kleinstadttrubel wirst du mir beipflichten, dass dies eine großartige Abfahrt war! Und am besten machst du erstmal das, was jeder Italiener nun tun würde – einen leckeren Espresso trinken und eine Pause machen. Dabei hast du genug Zeit, diese tolle Tour in dieser einzigartigen Vulkanlandschaft Revue passieren zu lassen. Von Zafferana Etnea aus wartet nun noch die Rückfahrt nach Catania auf dich. Die kannst du ruhig mit dem Fahrrad erledigen, da es nur noch bergab geht. In Catania kannst du dich mit einem Abstecher zum Strand belohnen.

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Foto und Collection von Martin Donat

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