Die versteckten Juwelen von Bormio - Radfahren jenseits des Stilfser Jochs
Alain Rumpf (A Swiss With A Pulse) hat auf seiner eigenen Seite ein tolle Sammlung an Touren in der Schweiz und noch mehr - diese haben wir hier auch schon vorgestellt. Er arbeitet aber auch mit Tourismus Organisationen zusammen, so wie wir, um neue Wege zu erkunden und der Gravelbike Community zu teilen. Hier sind seine Touren, die er rund um Bormio gefahren ist.
Für Radfahrer ist Bormio sofort mit dem Stilfser Joch verbunden. Enthusiasten kommen aus der ganzen Welt, um den zweithöchsten asphaltierten Pass der Alpen zu bezwingen, der durch den Giro d'Italia und die Champions, die auf seinen Hängen triumphiert haben, berühmt geworden ist. Der Fotograf, Sportler und Experte für alpinen Radsport Alain Rumpf reiste mit einem Ziel dorthin: die Region zu erkunden ... ohne den Stelvio zu besteigen. Drei Tage lang entdeckte er mit leidenschaftlichen einheimischen Radfahrern die verborgenen Schätze von Bormio: zwei Gravelbike-Runden und eine Rennradtour, aus denen diese Kollektion besteht. Für wen? Trotz ihrer kurzen Strecken richten sich diese Touren an fitte Radfahrer mit Erfahrung in den Bergen. In den Alpen zählen die Höhenmeter viel mehr als die gefahrenen Kilometer: "Die Schotterschleifen kombinieren Asphaltstraßen und Trails, die oft steil und technisch sind. Diese Art des Fahrens erfordert eine besondere Ausrüstung", erklärt Alain. Seine Empfehlungen: - kleine Gänge (Alain benutzt einen 30x40) - mindestens 45 mm breite Reifen, tubeless - Offroad-Schuhe, die es dir erlauben, auf den steilsten und technischsten Abschnitten notfalls zu laufen - Kleidung, die für schnell wechselndes Höhenwetter geeignet ist Wann solltest du losfahren? Die Touren in dieser Kollektion führen dich bis auf 2800 m. Warte, bis der Schnee geschmolzen ist, und mach dich zwischen Juli und September auf den Weg, um die Wetterbedingungen zu berücksichtigen. Bereit für dein nächstes Abenteuer in den italienischen Alpen? Mit den Worten von Alain: "Bormio ist eine lebendige Stadt, die vor alpiner Kultur nur so strotzt. Hier triffst du auf Bergbegeisterte und viele, viele Radfahrer. Es gibt viele ausgezeichnete Restaurants, einladende Bars und fahrradfreundliche Hotels. Du wirst dich wie zu Hause fühlen!"
Tag 1: Hochalpiner Schotter vom Feinsten - Bormio jenseits des Stilfser Jochs (49,0 Kilometer | 07:44 | 1897,0 Meter) Bei meiner ersten Schotter-Tour fahre ich mit Stefano und unserem Guide Matteo, einem leidenschaftlichen einheimischen Radfahrer. Wir verlassen Bormio auf der Straße, die zum Stilfser Joch führt, verlassen diese aber kurz nach Bagni Vecchi. Wir fahren auf der alten Salz- und Weinschotterstraße, die im Mittelalter genutzt wurde, um Wein von Italien nach Mitteleuropa und Salz von der Schweiz nach Norditalien zu transportieren. Die Steigung beträgt stellenweise mehr als 15 %, aber die Landschaft ist fabelhaft. Nach einem Halt, um den Lago di Cancano zu bewundern, setzen wir unsere Reise im Valle Forcola fort. Oberhalb von 2000 m befinden wir uns in spektakulärem hochalpinem Gelände. Ein steiler, in die Felsen gehauener Pfad führt uns auf ein grasbewachsenes Plateau. Wir beenden unseren Aufstieg auf über 2700 m an der Bocchetta di Pedenolo, in einer Mondlandschaft. Aber es liegt noch mehr vor uns. Eine kurze, flowige Abfahrt bringt uns an den Fuß eines steilen Anstiegs: Es wäre kein echtes alpines Schottererlebnis ohne diesen Hike-a-Bike-Abschnitt zur Bocchetta di Forcola (2760 m). Ein geschichtsträchtiger Ort: Du kannst immer noch die Überreste der Schützengräben aus dem Ersten Weltkrieg sehen, als die italienisch-österreichische Front die Region durchquerte. Und der Blick auf das Stilfser Joch und die Ortlergruppe ist atemberaubend. Ein mal technischer, mal flowiger Abstieg bringt uns zum Umbrail-Pass (2501 m). Von hier aus könnten wir das Stilfser Joch über den Weg zur Dreisprachenspitze erreichen, allerdings auf Kosten eines längeren Abschnitts auf dem Bike. Dann hätten wir das Privileg, diesen legendären Pass über eine vierte "geheime" Route zu erreichen, zusätzlich zu den Klassikern: Bormio, Prato und Santa Maria. Doch es ist schon spät und auf den umliegenden Gipfeln ziehen bedrohliche Wolken auf. In weiser Voraussicht beschließen wir, auf der Straße nach Bormio zurückzukehren, nicht ohne einen letzten spektakulären Offroad-Abschnitt, der uns auf einer Höhe von 2300 m zurück auf den Asphalt bringt. Zurück in der Stadt, 1000 Meter tiefer, trinken wir ein wohlverdientes Bier auf der Piazza Cavour, einem beliebten Treffpunkt in Bormio. Was für ein Tag im Hochgebirge: eine außergewöhnliche Tour, die allen alpinen Schotterfans zu empfehlen ist. Bitte beachte: Nach Kilometer 11 (Lago di Cancano) gibt es keine Möglichkeit mehr, aufzutanken. Nimm also genügend Essen und Trinken mit!
Tag 2: Laghi di Cancano auf Schotter - Bormio jenseits des Stelvio (58,0 Kilometer | 05:41 | 1265,0 Meter) Heute bin ich mit Daniele alias Stelvio Man unterwegs. Warum dieser Spitzname? Als wir die Stadt verlassen, erkundige ich mich, wie oft er diesen legendären Pass schon erklommen hat. Ich zähle nicht genau mit, aber ich muss ihn zwischen 5 und 600 Mal bezwungen haben", antwortet er lässig. Diese Zahl wird sich heute nicht mehr erhöhen, denn wir machen uns auf eine weitere Schotter-Tour, um die versteckten Juwelen der Region zu entdecken. Nach einer Aufwärmphase auf dem herrlichen Radweg entlang des Flusses Viola Bormina nehmen wir den harten Anstieg zur Alpe Gattonino in Angriff: 4 km mit durchschnittlich 12 % und Spitzenwerten von über 20 %. Auf dem Schotter sind wir an der Grenze zum Hike-a-Bike. Nach einem willkommenen flachen Abschnitt mit herrlichen Ausblicken über das Tal geht es auf der asphaltierten Straße in Serpentinen zu den Torri di Fraele, die durch eine Etappe des Giro d'Italia 2020 berühmt geworden sind. Wir fahren etwa fünfzehn Kilometer entlang der herrlichen Laghi di Cancano, bevor die zweite große Herausforderung des Tages ansteht: der Anstieg ins Valle Pettini. Wie ist die Steigung?", frage ich Daniele. Insidioso" ist seine Antwort auf Italienisch, was so viel wie "tückisch" bedeutet. Er hat Recht: Nach einer sanften Annäherung biegt die Route nach oben und erreicht wieder 20 %... Auf dem Gipfel wartet die Belohnung: ein Panino a la Bresaola auf der Malga Trela, einem Bauernhof inmitten einer friedlichen Alm am Fuße der Cima Doscopa (2794 m). Ein beliebter Rastplatz für Radfahrer und Wanderer, den du nicht verpassen solltest. Ein letzter Anstieg im alpinen Schottermodus (sprich: steil und technisch) bringt uns hundert Meter höher, bevor der spaßigste Teil der Schleife beginnt: eine lange Abfahrt, die mit einem kurvenreichen Weg beginnt, bevor sie in eine 4x4-Straße mit einigen schönen Kurven übergeht und dann schwindelerregend in Richtung des Dorfes San Carlo fällt. Auf dem Rückweg nach Bormio kehren wir auf den Radweg zurück, bevor wir einen letzten Stopp an der Bar Al Fiume einlegen: ein entspannter Ort am Fluss, an dem du viele Radfahrer triffst, ideal für ein Feierabendbier. Ich habe meins nach einem fantastischen Tag in den Bergen genossen, danke Daniele!
Tag 3: Passo Gavia und einiges mehr - Bormio jenseits des Stelvio (62,0 Kilometer | 05:48 | 1821,0 Meter) 'Ich bin den Gavia noch nie gefahren', sagte ich zu Daniele am Ende von Tag 2. 'Gut, dann machen wir es morgen', antwortete er nur. Mit 2621 Metern ist der Passo Gavia einer der höchsten asphaltierten Pässe der Alpen. Er erlangte 1988 während einer Etappe des Giro d'Italia, bei der das Peloton den Gipfel in einem schrecklichen Schneesturm überquerte, mythischen Status. Deshalb freue ich mich sehr darauf, Daniele an meinem dritten Tag in der Gegend wieder zu treffen, diesmal auf der Straße. Wir werden den Gavia als Hin- und Rückweg von Bormio aus erklimmen, aber mit einer kleinen Abwechslung. Die Straße zum Skigebiet Santa Caterina (km 11) ist breit und führt leicht bergauf. Ein willkommenes Aufwärmtraining vor dem eigentlichen Aufstieg: Auf den 10 Kilometern zum Gavia-Gipfel beträgt die durchschnittliche Steigung fast 9 %. Aber die einzigartige Atmosphäre dieses Anstiegs lässt dich die intensive Anstrengung vergessen. Wir sehen Dutzende von Radfahrern in einer ständig wechselnden Umgebung: ein erster Abschnitt im Wald, dann Weiden und schließlich eine felsige Alpenlandschaft über 2300 m. Ich genieße jeden Meter dieses legendären Passes. Auf dem Gipfel empfängt uns eine typische Atmosphäre. Die Bar im Rifugio Bonetta ist voll mit Radfahrern, Motorradfahrern und Touristen gleichermaßen. Und an den Wänden hängen Souvenirs der berühmten Giro-Etappe von 1988, die diesen Ort zu etwas ganz Besonderem machen. Mein erster Gavia! Was für ein Nervenkitzel, danke Daniele. Ist unser Tag schon vorbei? Nein, denn mein Guide hat noch eine Überraschung für mich parat: den Forni-Anstieg, eine Sackgasse in einem abgelegenen Tal, das durch den gleichnamigen Gletscher geformt wurde. Wie ich es in dieser Region mittlerweile gewohnt bin, ist der Anfang harmlos. Die Steigung ist sanft, man könnte sie sogar als falsches Plateau bezeichnen. Die letzten 4 Kilometer hingegen sind wild: Wegen einiger kurzer flacher Abschnitte beträgt die durchschnittliche Steigung 11 %, aber in Wirklichkeit liegt sie die meiste Zeit bei 12-14 %. Aber die Landschaft ist atemberaubend und die Straße ist fast menschenleer, abgesehen von ein paar unerschrockenen Fahrern wie uns. Es ist ein ganz besonderes Erlebnis. Vor ein paar Jahren hätte ich auf dieser Strecke noch nie Radfahrer gesehen", sagt Daniele, als ich auf der Terrasse des Rifugio Forni verschnaufe, bevor ich wieder nach Bormio hinunterfahre. Heute entdecken sie nach und nach diese ruhigen Straßen abseits des Verkehrs auf den großen Pässen", fährt er lächelnd fort. Als anerkannter Führer in der Region spielt er eine Schlüsselrolle in diesem Prozess und kann stolz darauf sein. Wie ich in diesen drei Tagen feststellen konnte, hat Bormio viel mehr zu bieten als das Stilfser Joch.
Weitere Touren in den Alpen
Copyright Foto und Collection von Bormio